oder – Toilettenputzen als Klasse in Demut
Von Mitte Februar bis Ende März 2024 habe ich mein erstes Volontariat in meinem Leben im katalanischen Amara Valley gemacht, einem Retreat Center für Yoga, Ernährung und integrale Gesundheit, man könnte auch sagen für Mindfullness. 5 Stunden Arbeit am Tag an 5 Tagen, dafür freie Unterkunft und – sehr schmackhafte vegetarische – Verpflegung. Außerdem Teilnahme an manchen Aktivitäten.
Und natürlich das Leben in einer Community, denn in Amara Valley leben gleichzeitig ca. 20 Personen, davon zwei Drittel permanent oder langfristig und ein Drittel Freiwillige, die für 4 oder 6 Wochen kommen, um mitzuarbeiten.
Ich hatte im Januar an einem Fasten und Stille Retreat, dem Deep Dive in Amara Valley teilgenommen und dort auch gleich nach dem Volontär-Programm gefragt, da es mich interessierte auch einmal längere Zeit in Amara Valley zu verbringen. Es war zwar eigentlich bis zum Sommer belegt, aber es waren zwei Stellen vakant geworden und so meldete ich mich kurz entschlossen dafür an.
Die Arbeiten reichten vom Hühner füttern über den Hausputz bis zu Arbeiten auf dem weiträumigen Gelände wie z.B. das Aufstellen neuer Solar-Panels oder der Bau und das Aufbauen eines neuen Bienenstocks. Also insgesamt sehr abwechslungsreiche, aber teilweise auch sehr anstrengende Arbeiten.
Perfect Days als Guest Guardian – Schützer der Gäste
Einen Morgen hatte ich wieder GG, das steht für Guest Guardian, und dabei hatte ich die folgenden Gedanken. Der Tag fängt mit der Toilettenrunde an. Ich fange also damit an, die Mülleimer mit dem benutzten Toilettenpapier zu leeren, denn hier wird kein Toilettenpapier ins Klo geworfen. Danach werden die Spiegel und Waschbecken der insgesamt acht Gästebäder gereinigt. Eine meditative Arbeit ohne großes Nachdenken. Und noch dazu mache ich es pfeifend und mit guter Laune.
Aber natürlich kommt bei mir automatisch der Gedanke auf, warum ich jetzt als 64-Jähriger eine freiwillige, unbezahlte Arbeit in einem Retreat Center mache und für andere die Toiletten reinige.
Dabei denke ich auch an den (übrigens sehr empfehlenswerten) letzten Film von Wim Wenders „Perfect days“, der von einem Mann handelt, der in Tokio für eine Reinigungsfirma arbeitet und öffentliche Toiletten reinigt. Und der mit seinem Leben in Einklang und zufrieden ist.
Warum putzte Ghandi seine Toilette selbst?
Und ich denke auch an Ghandi, der seine Toilette selbst geputzt hat, um ein Zeichen zu setzen, denn diese Arbeiten wurden in Indien sonst nur von der Kaste der Unberührbaren gemacht.
Ich will mich bestimmt nicht mit Ghandi vergleichen, aber beim Toilettenputzen verstehe ich, warum er es gemacht hat. Es ist eine Klasse in Demut.
Wer will schon die Scheiße von anderen Leuten säubern? Bei der eigenen fällt es ja schon schwer. Es ist eine Arbeit, der man automatisch mit Abscheu begegnet, selbst wenn man es mit Gummihandschuhen macht.
Automatisch kommen Gedanken hoch wie: „Jetzt habe ich mein ganzes Leben gearbeitet, habe versucht etwas aufzubauen und jetzt putze ich in einem Retreat Center die Gästetoiletten? Und das noch umsonst? Wie weit habe ich es gebracht? Es ist eine Arbeit, die andere machen können, aber ich?“
Ja! Und meine fröhliche Stimmung überrascht mich selbst. Ich bin hierhergekommen, um zu dienen. Ich bin hierhergekommen, um von diesem einmalig ruhigen und friedvollen Platz zu profitieren. Um zu lernen, mein Ego zurückzustellen und das zu machen, was gemacht werden muss, so wie alle, die an diesem Ort leben oder als Freiwillige mitarbeiten.
Und ich stelle erstaunt fest, dass es mir nichts ausmacht. Dass ich alles gut kontrolliere, bis ich zufrieden mit meinem Ergebnis bin. Dass ich froh bin, wenn die Toiletten sauber für die Gäste sind. Ich gebe mir Mühe, denn ich bin schließlich der Guest Guardian, der Schützer der Gäste.
Und ich bin dankbar, dass ich hier bin und ein Teil des Teams sein darf. Dass ich lernen kann und Klassen bekomme, wie ich mein Ego verstehen und eventuell sogar verkleinern kann. Durch Demut.