Disziplin oder Unmenschlichkeit? Wieviel Disziplin ist „menschlich“?

Disziplin oder Unmenschlichkeit? Wieviel Disziplin ist „menschlich“?

Disziplin oder Unmenschlichkeit? Will ich überhaupt diszipliniert sein? Auf der einen Seite schon, denn ich würde gerne die Sachen erreichen, die meinen wahren Wünschen und Träumen entsprechen.

Will ich immer diszipliniert sein?

Eigentlich nicht, denn es kommt mir so unmenschlich vor. Der Mensch besteht doch auch aus seiner Inkonsequenz, oder? Das ist menschlich.
Menschlich sind doch nicht diese Übermenschen, die alles realisieren, was sie sich vorgenommen haben und das eisenhart durchziehen. Ich finde sie sogar meistens unsympathisch.

Aber nehmen wir z.B. einmal das Thema Alkohol trinken oder Fleisch essen.

Alkohol – ich würde gerne immer einen Tag mit und mindestens einen Tag ohne Alkohol machen, aber das schaffe ich bisher nicht. Es gibt immer irgendwelche Ausnahmen und dann trinke ich doch wieder fast täglich, weil es ja doch nicht so wichtig ist und ich ja auch nicht „so viel“ trinke. Außerdem bringt einen Trinken ja auch so angenehm locker drauf. Ich verwässere also meine eigenen Ideen und werde dadurch inkohärent.

Oder Fleisch essen – ich esse gerne Fleisch, weil es mir ausgezeichnet schmeckt. Allerdings bin ich ganz klar gegen Massentierhaltung und die ökologischen, klimatischen und sozialen Katastrophen, die damit zusammenhängen. Rund 1/3 der weltweiten Agrarflächen werden zur Futtermittelherstellung verwendet, während es auf der anderen Seite 800 Millionen hungernde Menschen auf der Welt gibt. Außerdem ist die Massentierhaltung einer der großen Faktoren beim Klimawandel.

Mir gefällt auch der Gedanke nicht, dass ein Tier für mich sterben muss, damit ich es essen kann. Denn, wenn ich das Tier persönlich kennen würde, würde ich es bestimmt nicht töten, um es essen zu können. Dazu habe ich zu viel Respekt vor dem Leben. Das gilt bei mir übrigens komischerweise nicht für Fisch – außer Kraken.

Aber meine Familie isst genau so gerne Fleisch wie ich und will eigentlich auch nicht darauf verzichten. Darum kaufen wir in letzter Zeit hauptsächlich biologisches Fleisch, wo zumindest der erste Aspekt (Massentierhaltung) schon einmal beseitigt ist.

Wäre es hier nicht auch konsequent und diszipliniert zu sagen – mir ist es egal, ob ihr weiter Fleisch essen wollt. Ich will es nicht mehr.

Wäre diese Konsequenz jetzt gut oder würde es mich zu unmenschlich machen?

Oder würde es mich besser machen? Dasselbe kann man sagen über frühes Aufstehen, frühes ins Bett gehen, weniger fernsehen, weniger Süßes essen etc. etc.

Im Buch „The Miracle Morning“, das ich gerade lese, steht:

„Jedes Mal, wenn du den leichten Weg nimmst, anstatt das Richtige zu tun, formst du deine Persönlichkeit und du wirst die Person, die lieber den leichten Weg nimmt und nicht den Richtigen. Auf der anderen Seite, wenn du entscheidest den richtigen Weg zu nehmen und damit deinen eigenen Ideen und Einsichten zu folgen – besonders in dem Moment, in dem du dich nicht danach fühlst – entwickelst du damit die außerordentliche Disziplin, die notwendig ist, um außerordentliche Dinge in deinem Leben zu kreieren.“

The Miracle Morning – Hal Elrod


Klingt logisch. Wäre toll. Aber klingt das nicht ein wenig unmenschlich? Oder ist das nur eine blöde Entschuldigung um nicht konsequent sein zu müssen.

Hal Elrod schreibt außerdem, dass dies den Unterschied macht zwischen einem mittelmäßigen und einem außerordentlichen Leben.

Starker Tobak, nicht? Also, Disziplin oder Menschlichkeit? Oder ist es kein Widerspruch?

P.S.: Dies hier soll keine Werbung für das Buch von Hal Elrod sein. Es ist ein typischer Ratgeber, der dir erzählt wie du mit dieser Methode dein Leben komplett ändern und glücklich und reich werden kannst. Wie viele Ratgeber enthält er nichtsdestotrotz einige Weisheiten und funktionierende Konzepte. Darüber kann sich bei Interesse jeder selbst seine Meinung bilden.

15 thoughts on “Disziplin oder Unmenschlichkeit? Wieviel Disziplin ist „menschlich“?

  1. Zwei Fragen:
    Was sind meine Prioritäten?
    Warum?
    Ehrlich beantwortet, entscheidet es sich sehr schnell, ob der Zweck die Mittel heiligt.
    🙂

    1. Hallo Peter,
      Ja, dein Post ist ein gutes Beispiel dafür, was ich sagen wollte. Zuerst muss dein Kopf ein bisschen die Vorarbeit leisten und sich wirklich bewusst machen, was deine Wünsche und Prioritäten sind. Und dann ist es oft so, das auch die nötige Motivation entsteht um deine Gewohnheiten zu ändern.

  2. Wenn man eh nicht weiß, was man mit seinem Leben anfangen soll, ist es völlig okay, im Bett liegen zu bleiben bis der Arzt kommt. Ansonsten ist es nicht schlimm, um 3:00 Uhr aufzustehen, um die Dinge zu tun, die Du liebst. Das ist keine „eisenharte Disziplin“, sondern Glück.

    1. Hallo Carsten,
      Das hast du hervorragend ausgedrückt. Ja, ich denke auch das es Glück ist, wenn du diese Motivation spürst um jeden Morgen mit positivem Gefühl aufzustehen und Lust auf den Tag hast. Aber ich denke, das es kein Glück ist, das einem einfach so zufällt (oder zumindest den meisten Menschen nicht), sondern ein Glück, das die meisten Menschen sich erarbeiten müssen. Und ich bin fest davon überzeugt, das es möglich ist, wenn man es wirklich innerlich will. Aber dafür muss der Kopf etwas vorarbeiten und sich bestimmter Dinge, Wünsche und Ziele bewusst werden.

      1. Ja, ich habe die harte Arbeit des Schreibens sehr schnell lernen müssen, weil ich plötzlich Musikjournalist bei der taz hamburg war, abends und nachts auf Konzerte oder Lesungen ging und am nächsten Tag um 12:00 Uhr sollte dann der 80- oder 120-Zeiler fertig und abgegeben sein im Ottensener Nernstweg, da gab‘s noch kein Internet. Manchmal mehrmals in der Woche. Da lernt man Disziplin. Literatur zu schreiben ist dann noch wieder etwas ganz anderes, weil erst einmal niemand auf einen wartet. Ich habe Phasen der konzentrierten Aktivität und dazwischen können dann aber auch Jahre der totalen Leere, der Frustration und des Nichtstuns liegen. Das sind Zyklen und mit den Jahren lernt man sie bestmöglich zu nutzen, sich weder über- noch unterfordert zu fühlen. Man muss sich kennenlernen und anstreben, mit seinem Energiefluss zu arbeiten , das ist aber möglich.

        1. Danke für diese tief greifende Antwort. Ich denke, sie ist sehr hilfreich für viele, die es lesen, denn manchmal kommt es mir so vor, dass ich schon viel Arbeit in meine Entwicklung und Transformation gesteckt habe, aber dann trotzdem doch wieder Phasen auftauchen, in denen ich emotional durchhänge. Du hast bestimmt recht, dass man auch mit diesen Phasen leben und umgehen muss und sie auch als etwas „natürliches“ akzeptieren muss. Dazu hatte ich hier auch schon einen Artikel geschrieben.

  3. Man sollte in einigen Dingen konsequent sein, in allen kann man es vermutlich nicht. Die Handlungslogik folgt sicherlich eher eine Art moralischer Prioritätenliste als einer prinzipiellen Abwägung. Ich würde z. B. nie bestimmte Parteien wählen, die Menschen sortieren oder Reichtum mit Leistung verwechseln. Dieses NIE hört aber bei den Aspekten auf, die Du ansprichst. Das sehe ich ähnlich wie Du. Ich denke, das würde nur funktionieren, wenn der Verzicht mit irgendeiner Art von Zugewinn ausgeglichen wird, der aber konkret sein muss. Bei Essen und Trinken wird das schwierig, zumal jede/r Leibspeisen besitzt. Vielleicht liegt der Königsweg in der Mäßigung. Wenn aber das alles nicht funktioniert und vor allem ökologisch nicht, dann helfen nur hohe Preise und Vorschriften bzw. Gesetze. Andererseits haben im 17. Jahrhundert in England die Cromwellisten den Bürgerinnen und Bürgern am Sonntag das Kochen und überhaupt das Fluchen und Wetten zu verbieten versucht. Das Ergebnis: Nach elf Jahren Republik wurde GB id heute wieder Monarchie! Die Klugheit liegt also nicht in der Unbedingtheit.

    1. Hallo Holger,
      danke für deinen ausführlichen Kommentar. Ich denke eine gesunde Konsequenz bei Dingen, die z.B. in deiner Ethik und Moral manifestiert sind, ist definitiv ein guter Aspekt von Konsequenz und Disziplin. Das ist es, was dich dann ja auch glaubwürdig macht. Bei den mehr alltäglichen Sachen wird es da,, wie du sagst, schon schwieriger. Aber ich meine, hier ist es wichtig, dass du erstens gewollte Änderungen gedanklich präparierst und dann auch immer wieder Versuche machst, ob „das Fleisch auch willig ist“. Und oft kommt es dann zu dem Effekt, dass dich dein Körper in einem Moment anfängt zu unterstützen. Ich wollte z.B. schon seit Jahren eigentlich früher aufstehen um morgens eine Morgenroutine durchführen zu können. Ich bin aber immer um 1 ins Bett gegangen und habe es einfach nicht geschafft. Bis ich irgendwann auf die Idee gekommen bin früher ins Bett zu gehen und dann hat auch mein Körper mich unterstützt. Und jetzt möchte ich nicht mehr darauf verzichten, weil ich eine Kompensation dadurch habe.

  4. Hi Sascha, ich musste wieder lachen…das ist wirklich ein Thema…
    Heute habe ich nach langer Zeit wieder guten Schinken probiert und es hat mich geekelt! Ich hab’s probiert und musste ausspucken.
    Ich glaube so läuft es. Wenn es nur mit den Kopf macht, dann funktioniert es nicht!
    Früher aufstehen…ja wenn man sich daran gewöhnt 🌄 dann perfekt! Man muss sich Zeit geben um richtig spüren an sich was für einen momentan läuft. Struktur ist für die Natur wichtig und wir sind ein Teil davon aber nicht ganz weil wir von vielen anderen Sachen bestehen.
    Alles mit der Ruhe irgendwann sagt der Körper „Basta“ und dann Basta!
    ansonsten wird man irgendwann Mal glaube ich krank.
    😘

    1. Hallo Vivi,
      da gebe ich dir vollkommen recht. Ich glaube auch, dass es ein Zusammenspiel von Kopf und Körper sein muss. Wenn dein Kopf oder „Mind“ nicht bereit ist, wird es auch nicht funktionieren – es sei denn du zwingst dich dazu. Und dieses „zwingen“ ist genau die Disziplin, die ich nicht mag. Aber wenn dein Kopf dafür bereit ist, dann kann auch dein Körper oft folgen und merkt, dass es ihm eigentlich gut tut.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert