„Was denkst du gerade?“, fragt dich Facebook in der spanischen Sprachversion. Eigentlich weiß ich gar nicht so recht was ich gerade denke. Ich sitze auf einem wunderschönen Platz in Sant Pere de Ribes, der ein wenig wirkt wie ein Dorfplatz in einem spanisch geprägten Städtchen in Südamerika, vielleicht Kuba. Die Sonne scheint, der warme Wind streichelt über meine Haut, auch unter meinem Hemd, dessen Stoff noch leichter und transparenter als ein dünner Baumwollstoff ist. Es ist ein Hemd, das ich in Vietnam gekauft habe und dessen Stoff sich dort „Bambu“ nennt, wahrscheinlich eine Mischung aus Seide und Baumwolle.
Rechts vor mir stehen die Tische eines Cafés unter Palmen und an einem Tisch sitzt ein älterer Señor mit einem Panamahut und Sonnenbrille, der das Bild der südamerikanischen Enklave verstärkt.
Es ist absolut friedlich, Fußgängerzone, man hört keine Autos, nur Kinderschreien, Vogelgezwitscher, das Plätschern eines großen weißen Brunnens auf dem Platz und Menschen, die sich im Café unterhalten.
Ich esse als Frühstück Studentenfutter, nachdem ich im Café einen leckeren Café con leche getrunken und ein Buch gelesen habe. Ich esse meine fünfte Para-Nuss, von denen man eigentlich nur zwei pro Tag essen sollte, da sie viel Selen enthalten und radioaktiv sein können.
Also, was soll ich denken? Das ich im Hier und Jetzt angekommen bin?
Ich habe heute Morgen meinen Tinnitus sehr laut gehört, sogar im Schlaf, kann ich mich erinnern. Ich habe gedacht: Tinnitus = Stress. Und woher sollte mein Stress kommen? Daher, dass ich meine Arbeit gekündigt habe, weil ich meine Zeit besser und flexibler nutzen will, aber keine Ahnung habe, womit ich in Zukunft Geld verdienen soll? Na ja, eigentlich habe ich schon Pläne, Musik machen, auch Straßenmusik, Schreiben und Songs schreiben. Meine Qigong-Ausbildung machen und später auch Qigong-Kurse geben. Viele Sachen. Und vielleicht werden sich noch andere ergeben. Aber wird das reichen? Ist das der Stress, der hinter meinem Tinnitus steckt?
Es ist nicht leicht diese existenziellen Sorgen abzulegen. Wie auch? Wir wurden jahrtausendelang darauf programmiert. Schon als Jäger und Sammler mussten wir uns wahrscheinlich ständig darum kümmern, wo wir die nächste Nahrung herbekamen. Aber jetzt leben wir in anderen Verhältnissen. Zumindest hier in Europa. Wir haben gewisse Absicherungssysteme, die uns vor einem Hungertod beschützen können.
Trotzdem, man will doch nicht nur etwas zu essen haben, sondern anständig leben.
Ein angenehmes Dach über dem Kopf, sich ein paar Sachen leisten können (wie in meinem Fall zum Beispiel Segeln), vielleicht eine Reise dann und wann. Alles Dinge für die man Geld braucht.
Ich kann auch keine Antwort darauf geben, habe mich aber innerlich entschieden trotzdem so zu handeln, wie ich es gedacht habe. Und dieses Denken kommt nicht aus dem „Tageshirn“, das von allen täglichen Ereignissen in die eine oder andere Richtung gescheucht wird. Diese Idee zu handeln fußt auf einem langfristigen Denken, einem Denken, das mich auch gegen meinen „täglichen“ Willen auf den Pfad schickt, den es für richtig hält. Auch wenn es nicht „vernünftig“ klingt. Ich muss nur die Disziplin entwickeln Schritt für Schritt weiter auf diesem Pfad zu gehen und mich überraschen zu lassen, was dabei herauskommt. Denn ich bin – zumindest heute – sehr zuversichtlich, dass dabei etwas Gutes herauskommen wird.
Und auf diese Art und Weise kommt man dem Hier und Jetzt viel näher, weil man sich keine Gedanken mehr über die Zukunft machen muss.
Und dieser Pfad funktioniert auch besonders gut an den Tagen, an denen ich nicht davon überzeugt bin. Denn ich habe jetzt einfach eine Wegrichtung vorgegeben und ich zwinge mich auch dazu die Weichen zu stellen, sodass mein Zug auch nur in die gewollte Richtung rollen kann. Selbst, wenn es der Abgrund sein sollte. Aber denk mal realistisch. Welcher Abgrund sollte das schon sein? Auf der Straße verhungern? Wohl kaum.
Es sind dieselben Ängste, die mich auch von meiner 3-Tage-Tour abhalten wollten. Ängste vor dem Unbekannten. Die Ängste vor dem Verlassen der Komfortzone. Ängste vor dem Verlust der Absicherung.
Deshalb muss man einfach immer weitergehen, nicht laufen, Schritt für Schritt. Die Veränderung ist Schritt für Schritt leichter zu assimilieren.