Pandemie, Weltwirtschaftskrise, Klimawandel – werden wir alle sterben? Die Antwort ist einfach – ja! Denn bisher sind alle Menschen, die vor uns gelebt haben, gestorben. Also werden wir es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch tun. Aber obwohl wir das wissen, kann uns die Existenzangst packen.
Ich habe gerade eine sehr realistische und beängstigende Science Fiction Kurzgeschichte von Paolo Bacigalupi gelesen, „Yellow Cards“. In ihr wird auf sehr eindringliche Art und Weise das Leben von einem chinesischen Flüchtling, noch dazu ein alter Mann, in Thailand in einer Welt nach einer großen Krise beschrieben. Und wie dieser Mann ums Überleben kämpft, wie er gegen den Hunger kämpft, wie er sich wie tausende von anderen Flüchtlingen unmenschliche Schlafplätze sucht und wie seine Moral verkommt, einfach, weil er überleben will. Und dieser Mann war früher ein reicher, angesehener Chinese, der aber bei der Flucht aus Malaysia alles verloren hat. Nicht nur seine Reichtümer, sondern auch seine Familie.
Und das hat, zusammen mit den ganzen YouTube Anzeigen, die es zurzeit zum Thema Weltwirtschaftskrise gibt, bei mir eine Existenzangst ausgelöst, wie ich sie schon lange nicht mehr hatte. Was, wenn das alles eintrifft? Wenn wir jetzt durch diese Pandemie wirklich in eine weltweite, für unsere Generation nie gesehene Wirtschaftskrise abrutschen. Wie lange kann ein Staat so viele Arbeitslose wie jetzt finanzieren?
Was passiert, wenn der Status, den wir jetzt haben, nicht mehr weiter finanzierbar ist? Welche Sicherheiten haben wir selbst? Die Rente? Ein paar Rücklagen?
Und gehen wir dann mal davon aus, dass der Staat pleitegeht, dass es gar keine Renten mehr geben wird. Was dann?
Das klingt vielleicht ein bisschen apokalyptisch aber so ein Zustand kann ja wirklich eintreten. Weltwirtschaftskrisen hat es auch schon vorher gegeben. Sollen wir jetzt alle zu Preppern werden? (Prepper sind Leute, die sich auf einen Ausnahmezustand/Weltuntergang vorbereiten)
Oder sollten wir analysieren, woher diese Angst kommt? Existenzangst. Die Angst nicht zu überleben. Todesangst?
Todesangst ist wohl die elementarste Angst, die in jedem von uns steckt, die uns sozusagen genetisch angeboren ist. Und natürlich hat sie einen Grund. Der Grundantrieb eines jeden Lebewesens – das Überleben.
Hat diese Angst jetzt einen Grund, jetzt, in diesem Augenblick? Nein! Es gibt nichts Lebensbedrohliches um dich herum, sonst würdest du nicht in Ruhe diesen Text lesen.
Existenzangst ist die, von der Zukunft aus, projizierte Angst auf dein Jetzt. Die Angst vor einem möglichen Leiden oder Tod in der Zukunft. Eine Angst, die dich vom Leben im Jetzt abhält, weil sie dich lähmt und deine Aufmerksamkeit und alle deine Sinne vom Jetzt ablenkt.
Oder hörst du die Vögel zwitschern, wenn du an diese apokalyptische Zukunft denkst? Fühlst du die Wärme deines Körpers? Nimmst du deine Umwelt gerade wahr?
Aber ist so eine apokalyptische Vision nicht realistisch? Ja, ich denke, dass sie möglich ist. Aber egal, ob sie realistisch ist oder nicht: Der Tod ist sehr realistisch. Und woran uns diese Angst erinnert ist nur die Angst vor dem Tod, die Angst vor unserer eigenen Vergänglichkeit. Und diese Angst ist sehr stark und sitzt sehr tief.
Doch der Tod ist eine Tatsache und er kann dich überall ereilen, nicht erst in zehn Jahren oder nicht mal erst in einem Jahr, sondern Morgen. Wir haben keine totale Kontrolle über unser Leben. Ein blöder Autounfall, jemand, der eine rote Ampel überfährt, ein Arbeitsunfall, ein Flugzeug, das abstürzt, eine Umweltkatastrophe. Alles unkontrollierbar.
Todesangst ist also gleichzeitig eine reale und eine irreale Angst. Meist basiert sie auf anderen Ängsten, die uns schon von Kindheit an begleiten. Dinge, die uns verunsichern und beängstigen. Ängste, die uns daran hindern unser Leben mutig und selbstbewusst zu leben. Ängste, die uns die Möglichkeit nehmen, dem Tod mutig ins Auge zu sehen.
Was können wir also gegen diese Angst unternehmen? Die erste Antwort ist: so viel wie möglich leben! Leben tust du im Hier und Jetzt. Fühle, höre, rieche, schmecke, sehe – denke, schreibe, male und mach alles, was du willst. Aber höre dabei möglichst nicht auf mit den ersten fünf Dingen, die ich genannt habe. Das ist die Kunst des Lebens.
Ich verlinke hier zu einem Video von Sam Berns, einem Jungen, der an einer seltenen Krankheit litt, Progerie, welche die Kinder extrem schnell altern lässt. Er wusste, dass er nicht lange leben wird. Sein früher Tod war absehbar. Trotzdem hat er seine Philosophie für ein glückliches Leben entwickelt und gelebt.
Ich sitze hier gerade in einem kleinen Holzhaus ohne Heizung auf einem Pferdehof und schreibe. Sonne scheint leicht durch die Schleierwolken. Die Tür ist offen. Die Vögel zwitschern, der Hahn kräht. Es stinkt leicht nach Pferdedung. Meine Finger und meine Füße sind kalt, denn draußen sind es vielleicht gerade mal 14 Grad. Ich lebe und schreibe und genieße es hier zu sein.
Zweitens: fühle deine Angst! Lass deine Angst an dich herankommen und dich nicht durch sie lähmen. Setze dich in eine kuschlige, warme Ecke, schling die Arme um deine Beine und lass die Angst zu dir kommen. Schau sie an. Erkenne sie. Du kannst auch weinen.
Fühle, woher deine Angst kommt! Bist du ein kleines, verlassenes Kind? Hat dich jemand verletzt, dir weh getan? Vertraust du dir selbst nicht? Vertraust du nicht, dass du dich selbst beschützen kannst?
Es gibt wahrscheinlich hundert Gründe für deine Ängste, sie bestehen aus verschiedenen Kappen. Wenn du Ihnen nicht begegnest, sie ansiehst, versuchst sie zu verstehen, werden sie dich dein ganzes Leben lang begleiten und dir Angst machen, egal wovor. Vor dem Jetzt oder vor der Zukunft.
Und jede „irreale“ Angst hindert dich daran im Jetzt zu Leben. Und das ist der einzige Moment, in dem du lebst.
Die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit ist der große Unterschied zwischen dem Mensch und den Tieren. Es ist der Unterschied, der uns human macht.
Bild von Karina Cubillo auf Pixabay